Die große Koalition will die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Alle Telekommunikationsanbieter (Provider) werden die kommende Gesetzeslage zwangsläufig und zähneknirschend umsetzen müssen. Die enormen Zusatzkosten, die wir Provider alleine tragen müssen, sind das eine. Viele schwerer wiegt in unseren Augen, dass wir unfreiwillig zu Erfüllungsgehilfen eines informationshungrigen Staates werden. Wir hätten uns gewünscht, dass die schockierenden Fakten, die durch Edward Snowden aufgedeckt wurden, von der kommenden Bundesregierung als klares Signal gegen die ausufernde Datensammelwut verstanden worden wären. Als Chance dafür, dass sich die Bürger in Deutschland nach wie vor darauf verlassen können, sichere E-Mailkommunikation unter Wahrung der Privatsphäre durchführen zu können. Selbst wenn die Inhalte der E-Mails natürlich weiterhin tabu sind, ist eine rote Linie überschritten, sobald Behörden nach richterlicher Genehmigung Zugriff darauf haben, wer in den vergangenen 6 Monaten mit wem kommuniziert hat.
Heute hat Spiegel Online einen fundierten Beitrag von Yasmina Banaszczuk zur Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht. Nicht nur für Frau Banaszczuk ist bereits die Speicherung der Daten das Problem. Wenn wir überlegen, dass eine Million Menschen auf unseren Servern täglich viele Millionen Mails an ihre Familien, Arbeitskollegen und Freunde senden und empfangen, dann ließe sich bereits aus den Verbindungsdaten dieser E-Mails problemlos nachvollziehen, wer wann wo im Netz ist und mit wem kommuniziert. Dazu muss man den Inhalt der Mails nicht einmal kennen. Ein solcher Datenschatz wäre für Marketingleute unendlich wertvoll. Allerdings: Wir wollen diese Daten nicht haben und wir wollen vor allem nicht dazu verpflichtet werden, diese Verbindungsdaten 186 Tage lang aufzubewahren. Allein das Vorhandensein dieser Daten weckt Begehrlichkeiten. Aus diesem Grund treffen wir – sehr teure – technische Vorkehrungen, um die Verbindungsdaten vor unerlaubtem Zugriff besonders zu schützen.
Alle Telekommunikationsanbieter sind verpflichtet, die Ermittler bei der Verbrechensbekämpfung in sinnvoller Weise zu unterstützen. Die Telekommunikationsüberwachungsverordnung (kurz TKÜV) halten wir für ein sinnvolles Instrument. Denn mit Hilfe der TKÜV-Technik kann ein Ermittler quasi in Echtzeit die Kommunikation eines Straftäters überwachen. Wir liefern dazu kleine Datenpakete an die Ermittler ab, sobald sich der vermeintliche Straftäter in seinen Account einloggt, eine E-Mail empfängt bzw. sendet oder per POP3/IMAP auf seinen Account zugreift. Die Überwachung eines Accounts muss richterlich genehmigt werden und wird sehr streng reglementiert. Das hört sich schrecklich nach Orwell an, aber es hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Vorratsdatenspeicherung (kurz VDS): Mit Hilfe der TKÜV-Technik werden keine vergangenheitsbezogenen Daten gesammelt. Statt dessen werden Daten in Echtzeit an die Ermittler übermittelt, die dann evtl. schnell tätig werden können. Die VDS hingegen stellt jeden Bürger durch die verdachtsunabhängige Speicherung aller Verbindungsdaten unter Generalverdacht. Jeder Bürger ist in den Augen der Befürworter der VDS ein potenzieller Straftäter. Der Staat kann mit Hilfe der VDS ein halbes Jahr lang in die Vergangenheit schauen und jeden einzelnen Bürger durchleuchten, falls ein Richter den Argumenten der Ermittler folgt und einen entsprechenden Übermittlungsbeschluss fasst.
Zusammengefasst: Ja, wir befürworten die TKÜV, weil mit dieser Technik Verbrechen sinnvoll aufgedeckt werden können. Und nein, wir wollen diese absurde VDS keinesfalls zurück, denn es geht schlicht darum, dass uns die Bürger ihre E-Mails auch weiterhin anvertrauen können sollen. Keinesfalls haben wir das Recht dazu, die Verbindungsdaten dieser E-Mails zu speichern oder – noch schlimmer – zu aggregieren und Profile für jeden einzelnen anzufertigen. Die Bürger sind Besitzer ihrer Daten, nicht wir Provider und auch nicht der Staat!